Eine Stadtbegehung mit dem Rollstuhl: Seelze - Stadtspaziergang

  • Veröffentlicht am: 12. September 2019 - 11:10

Stadtspaziergang

Stadtspaziergang

Beim 31. Grünen Frühstück sind aus dem Kreis der Besucher drei konkrete Wünsche auf Verbesserung neben den Vorschlägen für eine Verbesserung der Innenstadt eingebracht worden.

Einige Bürger mit Behinderung brachten ihre echte Sorge auf der Göxer Landstraße direkt hinter der Kanalbrücke zum Ausdruck, dort die stark befahrene Straße zum Erreichen z.B. der Bushaltestelle gesund zu überqueren. Dieses Problem sollte konkret vor Ort mit Mitarbeitern der Verwaltung und der Polizei besprochen werden, damit Betroffene erkennen, sie werden mit ihrem Problem ernst genommen. Aber auch damit Wege für eine Lösung angerissen werden können. Die Verwaltung hat einen Ortstermin hier abgelehnt. Sie wollte das Problem erst im Hause diskutieren und dann evtl. an einem Ortstermin teilnehmen. Eine merkwürdige Vorgehensweise – erst reden, dann Bestandsaufnahme. Es wurde „inoffiziell“ bekannt, dass die Verwaltung sich mit dem Problem beschäftigt. Warum sie das nicht einfach sagt, bleibt ihr Geheimnis. Diese nicht bestätigte Information brachte aber die Entscheidung: Wir geben der Verwaltung die Möglichkeit, hier zu handeln – hoffentlich im Sinn der Betroffenen, die man ja nicht hören wollte. Sollte sich in kurzer Zeit keine Bestätigung ergeben, dass hier wirklich gehandelt wird, nehmen die Grünen das Thema wieder auf. Die Betroffenen wurden gebeten, sich einige Zeit in der Hoffnung, dass nichts bis dahin passiert, zu gedulden. Dazu waren sie bereit.



Diese Terminabsage führte dazu, dass auch ein Verkehrsproblem in der Ulmer Straße nicht gleich mit vor Ort besprochen wurde. Es ist aber damit nur verschoben – nicht aufgehoben.



Ein großer Punkt beim 31. Grünen Frühstück waren aber einige von einigen Menschen im Rollstuhl vorgebrachte Probleme. Damit hier keine theoretische Auflistung auf irgendeinem Schreibtisch landete, wurde schon bei der Veranstaltung ein Stadtspaziergang in Aussicht gestellt. Dieser Stadtspaziergang fand nun am 11. September beginnend um 10.30 Uhr statt. Am Alter Krug trafen sich Fußgänger, Rollatoren-gestützte Fußgänger und Rollstuhlfahrer mit Rollstühlen unterschiedlicher Ausstattung. Allen Beteiligten war klar: Es geht nicht darum, alle Einzelprobleme aufzulisten – dazu hätte man nicht nur eine kleine Runde durch das Zentrum begehen müssen. Es geht auch nicht darum, Versäumnisse anzuklagen – das bringt nicht weiter.


Strassenrandstreifen Hannoversche Straße



Ziel war es u.a., auf dem Weg erkennbare Probleme zur Sprache zu bringen und natürlich der Verwaltung zur Kenntnis und soweit möglich auch eine Abhilfe zu erreichen. Das begann schon direkt beim Wechseln der Straßenseite vom Alter Krug zur Sparkasse. Die neue Asphaltierung ist gefährlich, gefährlich für Fußgänger, Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und Radfahrer. Rollstuhlfahrer kommen nur mit viel Schwung vom Fußweg über die Regenrinne auf die Fahrbahn, denn die Asphaltierung ist bis zu 4 cm höher als die Regenrinne. Noch gefährlicher ist dieses für Radfahrer. Geraten sie in die Regenrinne, können sie teilweise aus dieser nicht ohne weiteres heraus kommen. Sie laufen Gefahr umzufallen und damit Autos genau vor die Räder. Sie haben keine Chance.



Dazu ist zu bemerken, dass für langsame Menschen die Grün-Phase der Ampel sehr kurz ist.



Folgt man nun der Hannoversche Straße in Richtung und auf der Seite des Rathauses, muss man mit einem Rollstuhl viel Kraft aufbringen, denn der Bürgersteig ist hier so schräg, dass man nur mit viel Widerstand verhindert, in die parkenden Autos oder auf die Straße zu rollen.

Auf dem Rathausplatz sind überdachte Fahrradständer  vorhanden. Vor diesen Fahrradständern ist der Fußboden aufsteigend angeschrägt. Hier besteht eine große Gefahr umzufallen, wenn man nicht haarscharf verhindert, mit einem Rad auf die Schräge zu gelangen. Hier ist ein Geländer o.ä. unbedingt erforderlich.


Rathausplatz Rampe



Es ist der Weg zu einer Behinderten-Toilette. Das weiß man nur, wenn man es eben weiß. Es gibt keine Beschilderung. Die Tür ist auch verschlossen. Man benötigt einen Schlüssel. Den kann man unter bestimmten Voraussetzungen bei der Stadt beantragen – wenn man es weiß.


Behinderten-WC

Aber: Mit einem motorisierten Rollstuhl kommt man auch mit Schlüssel nur mit viel Mühe vielleicht hinein, aber allein auf keinen Fall heraus. Es ist einfach zu eng. Da ist Abhilfe unbedingt erforderlich. Menschen mit Behinderung weichen z.Zt. zum Teil in das Altenzentrum Alter Krug aus – wenn sie es wissen.



Am Friedhof vorbei biegt die Gruppe nun in die Döteberger Straße ab. Der Plattenweg ist hier so, dass man im Rollstuhl aufpassen muss, sich nicht auf die Zunge zu beißen. Zum Teil sind die Bodenwellen durch von Bäumen hochgedrückte Bodenplatten ausgelöst, zu Teil sind sie einfach uneben. Selbst mit Unterstützung ist der Weg in Richtung Bahnhof nur schwer zu schaffen. Dazu kommt, dass die Absenkungen – z.B. an der Ecke Heimstättenstraße nicht zu überwinden sind.



Über die sehr schmalen Absenkungen an der Kanalstraße steht die Gruppe vor der Treppe der Heimstättenbrücke. Sie ist für Rollstuhlfahrer mit einem Eletro-Rollstuhl seit Wochen gar nicht zu überwinden. Für Hand-Rollstühle nur für Menschen mit wenig Gewicht, denn diese müssen von den zur Zeit eingesetzten Helfern ebenso wie der Rollstuhl die überaus steile Treppe hinauf getragen werden. Oben auf der Brücke stehen zahlreiche Fahrräder von Menschen, die sie dort aus Verzweiflung geparkt und damit den Weg auf der Brücke zugestellt haben. Die Stimmung ist hier besonders traurig, denn bei den Rollstuhlfahrern ist jemand, der in der Vergangenheit im Pflegeheim in Seelze-Süd gewohnt hat und dort gern Bekannte besuchen würde. Es ist seit Wochen einfach nicht möglich.


Kanalstrasse an der Heimstättenbrücke



Die Gruppe wechselt zurück auf die andere, der Bahn abgewendete Straßenseite. Die Absenkungen an der Schillerstraße sind so angebracht, dass sie eigentlich nur für Radfahrer vorgesehen sind – nicht für Fußgänger. Benutzt man sie trotzdem, droht man mit dem Rollstuhl stecken zu bleiben. Folgt man nun dem Fußweg, gibt es mehrere Stellen, an denen auch für Fußgänger der Weg durch hochstehende Steine gefährlich ist. Dieses wiederholt sich an der folgenden Kreuzung. Hier bleibt sogar der Hochleistungs-Rollstuhl stecken. Wenn niemand in der Nähe ist, kann der Rollstuhl-Fahrer nur Geduld haben bist jemand kommt, wenn er nicht vorher durch die Unebenheiten aus dem Rollstuhl gefallen ist.


Fussweg an der Kanalstrasse

 


Schillerstrasse und folgende

Der Fußweg in der Südstraße vor dem Grundstück der kath. Kirche ist ebenfalls sehr uneben. Am Kreuzweg gibt es ein anderes Problem. Die Flächen um die Bäume sind teilweise so verdichtet, dass sich Absätze ergeben, die auch für Fußgänger zu beachten sind. Aber z.B. vor der Bäckerei Raute ist es zwischen der Fläche um den Baum und den ersten Stühlen so eng, dass ein Rollstuhl zirkeln muss.


Auf dem Weg zu Am Kreuzweg

 


Kreuzung Am Kreuzweg

 


Am Kreuzweg Rossmann/Raute



Es geht auf der Seite der Kreuz-Apotheke zurück zum Alter Krug. Auch auf dieser Strecke ist der Fußweg so schräg, dass wieder fremde Hilfe zum Schieben erforderlich ist.



Neben diesen konkreten Hindernissen stellt die Gruppe, bei der auch Fußgänger ohne Erfahrung einige Strecken Rollstühle geschoben haben, fest:

Bei Überlegungen eines zukunftsbezogenen Verkehrskonzeptes müssen alle VerkehrsteilnehmerInnen beachtet werden. Dazu zählen auch Menschen, die durch Kinderwagen,

Rollatoren und Rollstühle beeinträchtigt sind. Sie sollten in die Überlegungen praktisch einbezogen werden.

Die Verwaltung sollte einen oder mehrere Bürger der Stadt, die RollstuhlfahrerInnen sind, als ehrenamtliche Helfer nutzen und mit ihnen eine „Begehung“ der Stadt machen. Im Rollstuhl sieht man die Stadt anders.  

Es sollte auch in den Ortsteilen angesehen werden, wie dort Menschen mit Behinderung verkehrsmäßig klar kommen.

Die Grünen haben angekündigt, das den Fortgang der Themen beim nächsten Grünen Frühstück zu schildern. Alle Beteiligten haben sich dafür bedankt, dass man sich für ihren „Blick auf die Stadt“ interessiert hat.

Einen Teil des Weges begleitete eine Mitarbeiterin der Polizei die Gruppe. Den ganzen Weg begleiteten Presse-Mitarbeiter die Gruppe.