Haushaltsrede Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen: Haushalt der Stadt Seelze

  • Veröffentlicht am: 23. Februar 2017 - 20:36

Haushaltsrede 2017
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr BM,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Ratskolleginnen und –kollegen,
wie jedes Jahr liegen uns zwei umfangreiche Produkte der Stadt Seelze vor, das Produktbuch und der Haushaltsplan mit 700 Seiten. Wir befinden uns jetzt in der Zeit, in der die Stadt – ich will es einmal flapsig sagen – die Hosen runterlassen muss. Jetzt gibt es aber auch die besten Möglichkeiten für die Parteien, Forderungen noch unterzubringen, Veränderungen zu beantragen und vieles mehr.
Es ist eine intensive Zeit auch in den Parteien, es werden Produktbuchklausuren abgehalten und die Verwaltung wird unter die Lupe genommen. -------- Wirklich???
Ist das Finanzgebahren der Stadt überhaupt kontrollierbar und welchen Einfluss haben wir darauf???
Diese Frage hängt damit zusammen, wie die Stadt zu Ihren Zahlen kommt und ob die Zahlen verständlich sind und richtig dargestellt werden. Und da habe ich gerade in den letzten Wochen und Monaten, insbesondere bei der Frage des Schulstandortes einer Süd-Ganztagsgrundschule erhebliche Bedenken. Dazu komme ich noch im Laufe meiner Ausführungen.
Deswegen halte ich es für die Pflicht eines jeden Ratsmitgliedes, das Produktbuch durchzuarbeiten und zumindest auch Teile des Haushaltsplanes.
Als ich nach meiner Wahl in den Rat im September 2006 kurz darauf zum ersten Mal die wichtigsten Bücher der Stadt für das Jahr 2007 in den Händen hielt, ging es mir sicher so, wie es  jetzt einigen neuen Ratsmitgliedern ging, die die Bücher zwar nicht für das Werk des Teufels halten aber die Bücher erst einmal nach einem kurzen Durchblättern zur Seite gelegt haben, sinnierend darüber:       Wie gehe ich es an??
Es kommt hinzu, dass wir auch noch keinen Abschluss für das Jahr 2015 vorliegen haben.
Nicht genug, es wurde auch noch die Produktstruktur geändert sowie die Produktnummerierung zu Gunsten der Produktnummern aus der Landesstatistik analog dem Haushaltsplan geändert. Produkte wurden getrennt und zusammengeführt. Auch wurden wesentliche Produkte von der Verwaltung vorgeschlagen, die sich an den Oberzielen der Stadt Seelze orientieren.
Unter Berücksichtigung dieser Veränderungen sind wir Grünen das Produktbuch durchgegangen und hatten ---- und das war für uns völlig neu ----- zunächst kaum Fragen an die Stadt. Später änderte sich das.
Eine Frage ist sicher die: Was sollen in der Stadt wesentliche Produkte sein?? Sind dies nur diejenigen, in denen große Finanzmittel bewegt werden, überspitzt ausgedrückt: Ehrenamt mit nur rund 45.000 EUR oder doch lieber Musikschule, Gefahrenabwehr, Betriebshof?
Wir glauben, dass es bei den wesentlichen Produkten, die von der Verwaltung vorgeschlagen sind, verbleiben sollte. Es ist eine gute Anzahl von wesentlichen Produkten und es fällt mir schwer, weitere hinzuzufügen. Die wesentlichen Produkte sollen sich auch gerade durch ihre Wesentlichkeit gegenüber den anderen abheben. Und da ist es schwer, weitere wesentliche Produkte zu kreieren, ohne andere zu vergessen. Das gilt auch für den Antrag der CDU, das Georg-Büchner-Gymnasium als wesentliches Produkt zu bestimmen. Hier schlagen wir vor, dass die im März folgende Klausur des ABF sich mit diesem Thema beschäftigen und danach dem Rat einen Entscheidungsvorschlag unterbreiten sollte. Wir denken, dass eine Diskussion in der Klausur der Sache förderlich sein wird. Das hat die ABU-Klausur schon gezeigt, da wurde ein wesentliches Produkt neu benannt.
Natürlich ist das GBG für Seelze ein ganz wesentlicher Bestandteil des Schulsystems, es ist unser Gymnasium und deshalb werden wir auch für den Antrag der CDU auf Einstellung von investiven Mitteln in Höhe von 100.000 EUR für das GBG stimmen, allerdings mit einem Sperrvermerk versehen. Das Geld sollte an konkrete Maßnahmen gebunden sein und der ABF – nicht wie sonst der Rat - sollte für diese Maßnahmen die Sperre aufheben können.
Ich komme jetzt zurück darauf, dass wir Ratsmitglieder bei unseren Entscheidungen von Vorlagen der Verwaltung davon ausgehen müssen, dass diese ein belastbares Zahlenmaterial enthält, das nachvollziehbar und ------ ganz wesentlich ----- auch richtig ist. Zahlen von der Stadt müssen alles enthalten, was für die Entscheidung in einer Sache von Bedeutung ist. Als ein konkretes Beispiel nenne ich die Frage des Standortes der Südschule, weil sich daran fantastisch darstellen lässt, was vor einer solchen Entscheidung als Entscheidungshilfen vorgelegt werden muss und weil es um viel Geld geht:
- Bei der Klärung der Standortfrage muss ich zunächst eruieren, ob die Standorte geeignet sind und ob ein Standort zB wegen Hanglage höhere Kosten produzieren wird, wenn ich Stützmauern bauen muss und welche Sicherungsmaßahmen ich dafür ergreifen muss, sind also die Baukosten des Gebäudes bei einer Variante signifikant höher als bei der anderen oder nicht.
- Welche Kosten entstehen, um die Grundstücksfläche für den Bau vorzubereiten. Wenn dort Gebäude stehen, welche Abrisskosten sind dafür aufzuwenden. Ist dies bei beiden Standorten der Fall?
- Wird ein Gebäude wie zB ein Feuerwehrhaus, das seine besten Tage schon hinter sich hat und mitten in einem Wohngebiet steht, dann stehen bleiben oder gehen die Überlegungen dahin, es ebenfalls abzureißen und an anderer Stelle neu aufzubauen. Welche Kosten entstehen für den Abriss, den Kauf eines neuen Grundstückes und den Bau des neuen Gebäudes?
- Welche Kosten entstehen für den Kauf eines Geländes für die Südschule. Welche Erschließungskosten entstehen dann, die die Stadt natürlich tragen muss?
- Welche Einnahmen erzielt die Stadt durch den Verkauf einer im Eigentum der Stadt stehenden Grundstücksfläche, wenn diese an Investoren verkauft würde. Wie hoch sind dabei die Erschließungskosten etc, die die Stadt tragen muss?
- Wie hoch sind die Kosten des Schülertransportes? Auch diese Kosten sind wichtig, auch wenn sie die Region zahlt, wir aber zahlen diese Kosten durch die Regionsumlage mit.
Es gibt noch weitere Fragen, die vor einer Entscheidung zu klären sind.
Die wichtigsten Fragen sind bisher nicht geklärt bzw die Stadt hat die Zahlen dazu bisher nicht an uns geliefert. Glaubt denn im Ernst hier einer im Saal, dass eine Grundstücksfläche in Harenberg oder Seelze-Süd nicht erschlossen für 200 EUR je qm verkauft werden kann?
Nein meine Damen und Herren, das kann nur der glauben, der die Bodenrichtwerte für erschlossene Grundstücke nicht kennt und der die Kosten der Erschließung klein redet und sogar auf ganz konkrete Frage des Ratsherrn Frank Joosten auf der letzten ABF-Sitzung, an der ich als Zuschauer anwesend war, keine konkrete Antwort über die Zahlen gibt.
Hier werden uns diese entscheidenden Zahlen vorenthalten. Diese fanden sich bisher weder in einer Vorlage noch in der Matrix.
Dabei ist es so einfach für uns Ratsmitglieder. Ich bin zur Verwaltung gegangen und habe mir die Zahlen geben lassen, die auch Sie Herr Bürgermeister sich von Ihren Mitarbeitern hätten geben lassen müssen. Stattdessen wird die Mär von den angeblichen Millionen-Einnahmen nicht richtig gestellt.
Deshalb bin ich froh, dass auf unseren Antrag mit der SPD die TOP zur Südschule aufgehoben worden sind und ein Runder Tisch vereinbart wurde. Wir hoffen, dass dann alle Zahlen vorliegen.
Generell erwarte ich und alle anderen Ratsmitglieder sicher auch von der Spitze unserer Verwaltung richtige belastbare Zahlen und eine richtige wahrheitsgemäße Unterrichtung aller Ratsmitglieder. Denn wir entscheiden über die Maßnahme, wir entscheiden über alle Kosten und ich möchte mir nicht von den Bürgern dieser Stadt vorhalten lassen, eine Entscheidung getroffen zu haben, die teurer war, weil nicht die richtigen Zahlen vorgelegen haben bzw zurückgehalten worden sind.
Wir als Ratsmitglieder haben verdammt noch mal die Pflicht, auf die Kosten zu achten und das gilt für jedes Ratsmitglied. Eine Entscheidung, Kosten spielen dabei keine Rolle, können wir uns nun wirklich nicht erlauben. So ist es Realität in Seelze, auch wenn wir es manchmal gern etwas anders hätten.
Das gilt umso mehr, da wir vom Land die Stabilisierungshilfe erhalten haben und unser Defizit pro Jahr eine bestimmt Millionen-grenze nicht überschreiten darf.
Das gilt auch für den Antrag der SPD zur Stadtentwicklung und zum neuen Steuerungsmodell. Das geht zur Zeit nicht.
Es ist schön, dass frühere Anträge der Grünen plötzlich wieder auftauchen von einer anderen Partei wie freies WLAN oder Radwege. Wegen WLAN wurde eine Testphase bereits vereinbart und Radwege wurden noch in der letzten Ratsperiode abgelehnt.
Das Thema Musikschule ist ein besonderes Thema, weil wir darüber bereits im Jahre 2013 intensiv diskutiert haben. Die Schlagzeile in der Leine-Zeitung vom 27.09.2013 war: „Musikschule bleibt erhalten“. Sie, Herr Bürgermeister, wollten die Schule damals schließen. Und nun? 120.000 EUR für die Musikschule? Außer der Vorlage gibt es bisher keine Infos. Um eine so weitreichende Entscheidung treffen zu können, fehlen wieder einmal Fakten. Die Verwaltung muss uns informieren über die Gesetzeslage, muss uns Beispiele aus anderen Musikschulen im Umland vorlegen. Deshalb können wir heute darüber nicht entscheiden. Das wäre eine Sache für die ABF-Klausur. Es nutzt nichts, die Sache übers Knie zu brechen, wir könnten das bei besserem Kenntnisstand bereuen.
Sperrvermerk
Herrn Balzer und seinem Teams danke ich für die Erstellung von Produktbuch und Haushaltsplan und für die Beantwortung von Fragen, auch wenn wir dabei eine Frage gestellt haben, die wir auch schon im letzten Jahr gestellt haben.
Wir von den Grünen werden dem Haushalt zustimmen.
Knut Werner, 23.02.2017